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Lyrics to Richard Boulanger's
"Solemn Song for Evening"

Last modified August 21, 2008


 

Feierliche Abendmusik

by Hermann Hesse (1911)

Andante

Immer wieder tröstlich
Und immer wieder neu in ewiger Schöpfung Glanz
Lacht mir die Welt ins Auge,
Lebt und regt sich in tausend atmenden Formen,
Flattert Falter im sonnigen Wind,
Segelt Schwalbe in seliger Bläue,
Strömt Meerflut am felsigen Strand.
Immer wieder ist Stern und Baum,
Ist mir Wolke und Vogel nahe verwandt,
Grüsst mich als Bruder der Fels,
Ruft mir freundschaftlich das unendliche Meer.
Unverstanden führt mich mein Weg
Einer blau verlorenen Ferne zu,
Nirgends ist Sinn, nirgends ein sicheres Ziel -
Dennoch redet mir jeder Waldbach,
Jede summende Fliege von tiefem Gesetz,
Heiliger Ordnung,
Deren Himmelsgewölb auch mich überspannt,
Deren heimliches Tönen
Wie im Gang der Gestirne
So auch in meines Herzens Taktschlag klingt.

(Translation by Marjorie Mathews:)

Ever and again consoling
And always new in the splendor of eternal creation
The world laughs in my eyes
Lives and moves in a thousand breathing forms
Flutters butterflies in the sunny wind
Sails swallows in the blissful blue
Streams the floodtide on the rocky strand.
Ever and again are star and tree
Cloud and bird my near relations
The rock greets me as brother
The endless sea calls to me as friend.
Not understood my way leads me
To a lost blue distance
Nowhere is there meaning, nowhere an assured goal -
But still every woodland brook talks to me,
Every humming fly speaks of deep law,
Of sacred order,
Whose heavenly arch stretches over me as well
Whose secret tones
As in the procession of the stars
Sound here, too, in my own heartbeat.

Allegro

Gewölk zerreisst, vom glühenden Himmel her
Irrt taumelndes Licht ueber geblendete Täler.
Mitgeweht vom föhnigen Sturm
Flieh ich mit unermüdetem Schritt
Durch ein bewölktes Leben.
Oh, dass nur immer für Augenblicke
Zwischen mir und dem ewigen Licht
Gütig ein Sturm die grauen Nebel verweht!
Fremdes Land umgibt mich,
Losgerissen treibt von der Heimat fern
Mich des Schicksals mächtige Woge umher.
Jage die Wolken, Föhn,
Reisse die Schleier hinweg,
Dass mir Licht auf die zweifelnden Pfade falle.

Adagio

Traum gibt, was Tag verschloss;
Nachts, wenn der Wille erliegt,
Streben befreite Kräfte empor,
Göttlicher Ahnung folgend.
Wald rauscht und Strom, und durch den regen
Nachtblauen Himmel Wetterleuchten weht.
In mir und ausser mir
Ist ungeschieden, Welt und ich ist eins.
Wolke weht durch mein Herz,
Wald träumt meinen Traum,
Haus und Birnbaum erzählen mir
Die vergessene Sage gemeinsamer Kindheit.
Ströme wallen und Schluchten schatten in mir,
Mond ist und bleicher Stern mein vertrauter Gespiele.
Aber die milde Nacht,
Die sich über mich mit sanftem Gewölke neigt,
Hat meiner Mutter Gesicht,
Küsst mich lächelnd in unerschöpflicher Liebe,
Schüttelt träumerisch wie in alter Zeit
Ihr geliebtes Haupt, und ihr Haar
Wallt durch die Welt, und es zittern
Blass aufzuckend darin die tausend Sterne.